Montag, 10. August 2015

Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums - Review

Dante kann schwimmen. Ari nicht. Dante kann sich ausdrücken und ist selbstsicher. Ari fallen Worte schwer und er leidet an Selbstzweifeln. Dante geht auf in Poesie und Kunst. Ari verliert sich in Gedanken über seinen älteren Bruder, der im Gefängnis sitzt. Mit seiner offenen und einzigartigen Lebensansicht schafft es Dante, die Mauern einzureißen, die Ari um sich herum gebaut hat. Ari und Dante werden Freunde. Sie teilen Bücher, Gedanken, Träume und lachen gemeinsam. Sie beginnen die Welt des jeweils anderen neu zu definieren. Und entdecken, dass das Universum ein großer und komplizierter Ort ist, an dem manchmal auch erhebliche Hindernisse überwunden werden müssen, um glücklich zu werden! In atemberaubender Prosa erzählt Sáenz die Geschichte zweier Jungen, die Loyalität, Freundschaft, Vertrauen, Liebe – und andere kleine und große Geheimnisse des Universums entdecken.

Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums 

»Words were different when they lived inside of you.«

Ach, wo soll ich nur anfangen. Ich weiß es gar nicht.
Auf das Buch bin ich schon öfters gestoßen, habe es in der Bibliothek gesehen und in Buchhandlungen, doch habe mir nie die Mühe gegeben, hineinzusehen. Schon alleine das Cover kam mir vor,  als wäre es ein schnulziges Buch für Kinder mit 10 Jahren, über Möchtegern Philosophen, die unbedeutende Fragen beantworten.
Ich lag noch nie so falsch.

Gelesen hin habe ich es schließlich auf einen Deal hin mit einer Freundin: Sie schaut sich meine Lieblingsserie an, dafür lese ich das Buch. Davon war ich zunächst nicht sonderlich begeistert, doch lieh mir das Buch dann aus und laß es.
Und Gott, es hat mir gefallen.
Niemals hätte ich solche Gefühle erwartet, so viele Emotionen in mir drinnen.

»Birds exist to teach us things about the sky«

Ich empfehle es jedem.
Jedem, der Geschichten über Jugendliche lesen will, die Probleme bestreiten.
Jedem, der eine Geschichte über eine so pure Freundschaft lesen will.
Jedem, der Geschichten mit Fragen mag, die einen selbst zum Grübeln bringen.
Jedem, der gefühlvolle Geschichten liebt.

Denn all das ist dieses Buch, eine ehrliche Geschichte über die Freundschaft zwischen zwei Jungen, über Teenager mit Problemen und ein Buch voller Gefühle. 
Ich kann gar nicht richtig beschreiben, wieso ich dieses Buch so toll finde, ohne weitere Spoiler. Ich hoffe, dass jeder eines Tages dieses Buch in die Hand nehmen wird und es lesen wird. Dass es jeder ließt, dass jeder darüber spricht. Dass es so berühmt wird, wie "Das Schicksal ist ein mieser Verräter". Es ist ein Buch, welches total unterschätzt wird. Schon alleine ein Blick auf die Bewertungen bei Anbietern wie zum Beispiel Amazon zeigt, wie gut dieses Buch ist.

Das Buch ist kein einfaches Buch über Freundschaft oder später über Homosexualität, genau so wenig wie "Das Schicksal ein mieser Verräter" kein normales Krebs-Buch ist. Nein, es ist anders. Es ist speziell.

Nun werde ich näher auf das Buch eingehen, also:
!Große Spoiler-Warnung!




Das Buch fing harmlos an. Es war die Erzählung eines Jungen, der einen normalen Alltag beschreibt. Der einen Freund trifft - nicht mehr, als ich erwartet habe. Dennoch gab das Buch nicht aus der Hand, denn schon hatten mich die beiden Charaktere fest in ihrem Bann. Aristoteles (kurz Ari), der voller Selbstzweifel ist und über sich selbst Scherze macht und Dante, der so nett ist und doch voller Macken und um tote Vögel weint.
Irgendetwas hatten die beiden, ich liebte sie sofort. Und es schien wie eine ganz normale Erzählung über Freundschaft, wie zwei Außenseiter sich anfreunden. 
Doch das änderte sich schnell, als Ari Dante plötzlich das Leben rettet. Dante, der auf die Straße rennt um einem Vogel zu helfen, der einen gebrochenen Flügel hat. Und Ari, der zu Dante rennt, ihn zur Seite stößt und dabei selbst angefahren wird. 



Oh Gott, diese Stelle. Ich weiß noch, was diese Stelle mit mir gemacht hat. Ich habe geweint.
Es ist eine Weile her, dass ich bei einem Buch geweint habe, doch ich tat es. Verdammt nochmal, ich habe mir die Augen ausgeheult. Dabei... war es nicht einmal so schlimm. 
Ari wacht im Krankenhaus auf, wird von seinen Eltern gedrückt und Dante wartet auf ihn. Wieso habe ich geweint? 
Vielleicht bin ich wie Dante. Vielleicht weine ich, weil ich zu viel in Dinge sehe. Doch diese Stelle war einfach ein Bruch. Ein Bruch der Geschichte. Es war nicht mehr eine normale Geschichte über Freundschaft.
Und das schlimmste: Ich wusste, dass nun nichts mehr war, wie zuvor. Und Ari wusste es auch.

Ich musste an dieser Stelle tatsächlich aufhören. Ich zwang mich aufzuhören und laß am nächsten Tag weiter, denn ich wusste, nun würde es beginnen. Nun würde der Teil beginnen, an dem komplett in dem Buch versinken würde. Und ich brauchte Schlaf, ich brauchte Zeit um mich vorzubereiten. 

So, am nächsten Tag laß ich also weiter. Als meine Eltern nicht da waren. Ich wusste, dass ich es alleine lesen musste. Ich wusste, dass ich wieder weinen würde. Und irgendwie fand ich es gut, alleine mit dem Buch zu sein und alleine mit den Gefühlen, mit den Tränen.


Das tat es wirklich. Nun war die Geschichte anders. Nun war die Beziehung zwischen den beiden so anders. Dante, der Ari nun in seinen Zeichenblock schauen lässt, was davor undenkbar für ihn gewesen war. Dante, der sich dauernd bei Ari entschuldigt. Dante, der Ari (der nun gebrochene Beine, Schrauben in den Beinen und einen gebrochenen Arm hat) wäscht. Und Ari, der all das nicht will und die Regel aufstellt, nicht über den Unfall zu reden. 
Alles ist auf einmal so anders.
Und dann die neue Wendung: Für ein Jahr zieht Dante weg!

Natürlich schreibt der liebe Dante Ari und Ari will ihm auch schreiben, doch weiß nicht was.
Dante erzählt Ari von Chicago. Von den Schülern dort, davon, dass er ein Mädchen geküsst hat und gekifft hat und getrunken hat. Es passt nicht zu Dante und irgendwie passt es perfekt zu ihm.
Ari versucht derweil mehr über seinen Bruder zu erfahren, der im Gefängnis ist und über den nicht gesprochen wird. Er versucht mit den Mitschülern zurecht zu kommen, näher an seinen Vater zu kommen und mit einem Mädchen zusammen zu kommen.
Doch all das scheint mir so nebensächlich. Es gibt nur eine Sache, die meine Interesse geweckt hat: Dante's Briefe.
Diese enthalten nicht nur Inhalte wie "Wie viel masturbieren ist normal?" sondern auch schon bald den Inhalt:
"Wie es wohl ist einen Jungen zu küssen? Ich würde gerne einen Jungen küssen"

Und da ist es. Etwas, was ich schon geahnt habe. Ich weiß nicht wieso, doch ich habe es geahnt... oder viel mehr: Ich habe es gehofft.
Diese Chemie zwischen den beiden ist perfekt, die beiden gegen den Rest der Welt. Ich konnte nicht anders und war begeistert von der Idee.
Ari nicht.



Natürlich toleriert Ari seinen Freund, der sich nun als schwul bekannt gibt. Doch scheint er diesen Gefühlen selbst nicht nachzukommen. Es ist erneut zu schmerzlich, doch es wird noch schlimmer.
Als Dante zurück kommt, ist es ein neues Thema. Dante stellt die Regel auf, dass Ari ihm loyal sein soll. Nicht wegrennen soll, wenn man ihn als den "Freund einer Schwuchtel" bezeichnet und Ari wird es nicht. Er sieht nichts schlimmes daran. Nun bekommt man auch mehr von Dante's Zwiespalt mit. Wie er mit Ari darüber redet, wie er seinen Eltern beibringen soll, dass er gerne Jungs küsst. Wie Dante sich in Ari verliebt.
Und schließlich bringt Dante auch Ari dazu, es auszuprobieren. Sagt ihm, dass er nicht wissen kann, ob er gerne Jungen küsst, denn er tat es noch nie. Und dann küsst Dante Ari... Und Ari schreckt zurück, sagt Dante, dass es bei "ihm nicht funktioniert".
Und schon wieder scheint irgendetwas zu zerbrechen...

»I knew that part of him would never be the same. They cracked more than his ribs«

Ich verstand es nicht.
Ari träumte von Dante, genoss es, wenn Dante ihm vorließ. Sie standen sich so nah und doch... nichts?
Es war erneut ein Moment, bei dem ich nur mit dem Geräusch eines sterbenden Wales brüllte. Vielleicht war es der Teil, der seit Ewigkeiten Charaktere shippt, der seit Ewigkeiten Johnlock Geschichten im Internet ließt. Doch etwas wollte in mir einfach, dass sie zusammen kommen. Dass all das nicht zerbricht.
Und zum Glück tat es das auch nicht.

Nein, die Freundschaft blieb. Aufgeweckt wie zuvor. Sie genossen ihr Leben und alles andere.
Ari kam seinem Bruder - das große Geheimnis um seinen Bruder - immer näher, doch ehrlich gesagt, interessierte es mich nicht. Das Buch war für mich nicht die Geschichte von einem Jungen, der über seinen Bruder erfährt, sondern die von zwei Jungs, die sich lieben - und wenn es nur Freundschaft ist.

Doch man bemerkt, dass da etwas mit Ari ist. 
Man merkt es daran, wie er mit Daniel umgeht - dem Freund von Dante. Und mit den Jungs, die Dante verprügeln.
Dante wird verprügelt, der unschuldige, liebenswerte Dante wird verprügelt, weil er einen Jungen geküsst hat. In der Gasse küsst er Daniel und dann wird er von vier Junges verprügelt - das Geheimnis um seine Vorlieben geht an die Eltern der beiden - und Ari wird wütend. Wütend auf die Jungs, weil sie Dante verprügelt haben und sauer auf Daniel, weil er einfach wegrannte, ohne sich um Dante zu kümmern.
Doch Dante rannte nicht weg. "Weil er Dante ist".
Ari bricht einem Jungen die Nase und bekommt Ärger, und erfährt über seinen Bruder. Der im Gefängnis sitzt, weil er jemanden umgebracht hat. Ari hasst Daniel, mag ihn nicht dafür, was er Dante angetan hat.
Doch Dante scheint sich darum nicht zu kümmern.

Und schließlich passiert es. Dank Ari's Eltern.
Ich wusste nie, dass ich die beiden mehr lieben konnte, als zuvor. Denn nicht nur Dante und Ari sind die Charaktere, die ich liebe. Auch die Eltern der beiden sind einfach grandios und ich liebe sie.
Sie rufen Ari an den Tisch und reden mit ihm. Dass Dante in Ari verliebt ist, ist bekannt. Selbst Dante's Eltern wissen es. Eltern scheinen ihre Kinder zu kennen.
Denn Ari's Eltern wissen, dass Ari genau so in Dante verliebt ist und erst dank der Hilfe der beiden kann sich Ari das auch schließlich selbst eingestehen. Er versteht, dass er Dante nicht vor dem Auto einfach so rettete, sondern weil er es nicht ertragen könnte, wenn es keinen Dante mehr gäbe.

Nichts gefiel mir mehr als die letzten Seiten des Buches. Wo alles, was zerbrochen wurde, wieder aufgebaut wurde.
Wo Ari Dante gesteht, dass es gelogen war, dass der Kuss für ihn nicht "funktionierte".
Wo Ari Dante küsst.
Wo Ari sich gesteht, dass er diesen Jungen genau so sehr liebt wie wir, nein, sogar noch viel viel mehr.
Wo das Buch mit dem grandiosen Satz »How could I have ever been ashamed of loving Dante Quintana?« beendet wird.





Grandios.
Ganz grandios.

Benjamin Alire Sáenz schafft es nicht nur, alles irgendwie zu zerbrechen. Nein, er kann es auch alles wieder aufbauen. Er kann uns mit auf eine Gefühlsachterbahn nehmen, in ein Buch eintauchen lassen, was nicht mehr los lässt.

Uns die einzigartige Geschichte von zwei einzigartigen Jungen erzählt. Die Geschichte, die mit dem einfachen Satz begann:
»Ich kann dir beibringen, wie man schwimmt.«


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