Sonntag, 16. August 2015

Analyse: BBC's Sherlock

Analyse: BBC's Sherlock

Ich bin ein großer Fan von der Serie "Sherlock". Steven Moffat und Mark Gatiss haben es geschafft, die Geschichte des berühmten "Consulting Detective" erfolgreich auf die heutige Zeit zu übertragen. Es ist eine Serie, die ich jedem Empfehlen kann. Es gibt 3 Staffeln mit je 3 Folgen, eine Folge dauert 90 Minuten. Es lohnt sich auf jeden Fall!

Mit einer Freundin hatte ich den Deal, dass ich ihr Lieblingsbuch lese, dafür schaut sie BBC's Sherlock. Wir schreiben nun schon eine ganze Weile, Theorien und Analysen. Und nun habe ich beschlossen, auch hier darüber zu schreiben.

Achtung, Spoiler für alle 3 Staffeln von Sherlock!
Es sind nur Theorien und Spekulationen!






1) Der Dritte Holmes Bruder


Wer Sein letzter Schwur gesehen hat, wird mit gleich zwei Fragen konfrontiert. Nicht nur Moriarty's Did you Miss me? (dazu später mehr), sondern auch Mycroft's Anspielung auf den "anderen". 

Als eine Besprechung wegen Sherlock stattfindet - da er jemanden tötete - und Mycroft sich doch für seinen Bruder einsetzt, wird er gefragt, ob dies sei, wegen der brüderlichen Beziehung. Mycroft erwidert nur, dass es nichts mit solchen Gefühlen zutun hat "Sie wissen, was mit dem anderen passiert ist" (freie Übersetzung).

Somit stellt sich die Frage: Gibt es noch einen dritten Holmes Bruder?

Ich selbst bin der Meinung, es gibt einen. Ansonsten gäbe es keine andere Interpretation für diesen Satz. Doch wenn man die Frage mit einem "Ja" beantwortet, gibt es noch immer genug Fragen.

Aus Mycrofts Bemerkung lässt sich schließen, dass Mycroft etwas mit dem Schicksal des dritten Bruders zutun hat, oder zumindest nicht helfen wollte. Ob er getötet wurde? Wie Sherlock verbannt?


Mycroft hat allerdings schon gezeigt, dass er sich um seinen kleinen Bruder kümmert - bietet John Geld an, wenn sich dieser um Sherlock kümmert, kommt vorbei, als er von seinem Rückfall zum Drogenkonsum erfährt und nicht zu vergessen, als er sagt, dass der Verlust von Sherlock ihm das Herz zerbrechen würde. Der Verlust seines zweiten, letzten Bruders.
Sherlock war quasi die zweite Chance für Mycroft "alles richtig" zu machen - zumindest seinen Bruder vor einem harten Schicksal zu bewahren.
All lifes end, all hearts are broken. Caring is not an Advantage, Sherlock - sagt er in ein Fall von Belgravia zu seinem kleinen Bruder. Vielleicht ist damit der Tod des anderen Bruders gemeint, der Mycroft verletzt hat? Vielleicht machte dieser Tod Mycroft zu diesem "kühlen, nicht kümmernden" Charakter.



»You couldn’t cope. You were just a child, so you rationalised it into something very different«
In die Hunde von Belgravia erfahren wir von Henry Knight - sein Vater wurde umgebracht und vor lauter Angst und Schock veränderte sich Henry's Erinnerung. Anstatt den Mann - den Freund seines Vaters -, der diesen umbrachte, behielt er nun einen unheimlichen Hund/Hound im Kopf, ein Monster, das seinen Vater umbrachte.
In Staffel Drei erfahren wir nun von Rotbart (Englisch: Redbeard), Sherlock's Kindheitshund, der eingeschläfert wurde. Ich fand es relativ seltsam, dass plötzlich ein Hund eingeführt wurde, aber auch niedlich, wenn ich ehrlich bin. Einen treuen Gefährten an Sherlock's Seite, als dieser ein Kind war...

Doch Rotbart wurde ein Teil der Theorie von uns über den dritten Holmes Bruder und wir überlegten, dass es Sherlock ja vielleicht genau so erging wie Henry Knight - er verarbeitete etwas, was er nicht verstehen/bearbeiten konnte in einen Hund!

Der Unterschied hierbei ist, dass Rotbart niemanden tötete. 
Doch das schützt den kleinen Hund nicht vor der Theorie: Sherlock stand nach unserer Theorie dem "dritten" Holmes Bruder nahe und dieser war Sherlock ein treuer Freund... doch als er verschwand (verstorben oder was auch immer), konnte Sherlock mit dem Schock nicht umgehen. Vielleicht hat er es angesehen, wie es geschehen war oder nur erzählt bekommen, doch sein Verstand verwandelte es in etwas, was er verstehen konnte und mit dem er umgehen konnte: Er hatte nie zwei Brüder gehabt, nur Mycroft und seinen geliebten Hund Rotbart, der nun eingeschläfert worden war.
Und Mycroft und die anderen spielten diese Rolle mit. Rotbart in seinem "Mind Palace" könnte demnach einfach nur ein normaler Hund sein, der Nachbarshund oder ein anderer aus Sherlocks Erinnerung.

Dies könnte der Grund sein, warum Sherlock so einfach in die Hunde von Baskerville akzeptiert und versteht, was mit Henry's Verstand passiert ist und dass ein Verstand leicht zu manipulieren ist.
Und es könnte auch der Grund sein, warum es eines von Magnussens Druckmitteln gegen Sherlock ist. Wer hat sonst seinen verstorbenen Kindheitshund als solch ein Druckmittel, dass er sprachlos wird, wenn er nur den Namen hört?
Es ist schwer zu verstehen, wie die Erinnerung an einen einfachen Hund das Genie Sherlock so verunsichern kann - außer es war kein einfacher Hund.



Übrigens hoffen viele - mich eingeschlossen -, dass der dritte Holmes Bruder in der 4. Staffel von Sherlock einen Auftritt bekommt. Tom Hiddleston gilt als beliebte Wahl des Schauspielers. Immerhin ist er mit sowohl mit Benedict Cumberbatch, als auch Mark Gatiss befreundet.






2) Sherlock's Gedankenpalast


Als Sherlock im Sterben liegt, sieht man seinen Gedankenpalast - wie er ihm hilft zu überleben. Molly, Anderson und Mycroft helfen Sherlock, geben im Tipps, was er tun muss, um nicht zu sterben. Eine wundervolle und starke Szene, doch auch hier liegt so viel Verborgen.

Zunächst schauen wir uns die Wahl der Charaktere an: Molly, Anderson und Mycroft. Wieso diese drei?
Molly, die mehr für Sherlock empfindet, als er für sie; Anderson, der sich dauernd mit Sherlock streitet und Mycroft, der brüderliche Rivale.
Doch vielleicht geht es ja genau darum!


Ich fand es merkwürdig, dass Lestrade, Mrs Hudson und ganz besonders John in dieser Szene gefehlt haben, immerhin hatte Moriarty sie in Reichenbachfall als Sherlock's einzige Freunde bezeichnet.
Doch als ich die Serie erneut geschaut habe, viel mir das Zitat aus Ein Fall von Belgravia auf: This is your heart, and you should never let it rule you head.
Ja, ganz ohne Frage: Sherlock hat diese Regel selbst befolgt. Die Personen, um die er sich am meisten kümmert und die seine einzigen Freunde sind, hat er aus seinem Gedankenpalast geschoben. Denn sie sind sein Herz, und sein Herz sollte niemals seinen Kopf beherrschten!



Der Johnlock Shipper in mir muss das einfach loswerden: Als Sherlock in Schock gerät sieht er Mary in ihrem Hochzeitskleid, wie sie ihm in die Brust schießt. Mary in ihrem Hochzeitskleid bricht Sherlock's Herz!




 
Doch meine Lieblingsstelle in Sherlock's Gedankenpalast ist Moriarty's Auftritt: Moriarty in einer Zwangsjacke, angekettet in einer Zelle.
Ich liebte diese Stelle, weil sie so skurril war. Doch ist sie es wirklich?

»I see. You're not ordinary. No. You're me«
Dies sind einige der letzten Sätze, die Moriarty zu Sherlock sagt, bevor er sich in den Kopf schießt. »Sie sind ich«
Sherlock hat scheinbar akzeptiert, dass ein Teil von ihm wie Moriarty ist. Moriarty wird immer als Sherlock's Gegenstück beschrieben, er ist das, was Sherlock wäre, wenn er Verbrechen begehen würde, anstatt sie aufzudecken. Selbst Sherlock erkennt das, er akzeptiert das.
Doch er schließt es weg, er schließt seinen Moriarty-Teil in eine Zelle, kettet ihn an und steckt ihn in eine Zwangsjacke. 
Das zeigt, wie sehr er Moriarty und auch sich selbst fürchtet, wie sehr er sich weigert, wie Moriarty zu sein und dass er diesen Weg nicht gehen will!




3) Sebastian Moran ist tot - aber schon vor den Ereignissen von Sherlock


Wenn ich an Moriarty denke, muss ich hauptsächlich an die Stelle am Schwimmbecken denken. Und ganz besonders seinen berühmten Satz: That's what People do (Das tun wir doch alle) auf Sherlock's Kommentar, dass Leute gestorben sind.

Wer die Bücher oder Fanfictions gelesen hat, kennt vermutlich Sebastian Moran, Moriarty's "Partner" und der zweit gefährlichste Mann Londons.
Dass ein so wichtiger Charakter (der laut dem Buch "Moriarty" sogar Schuld an Sherlock's Tod an den Reichenbachfällen hat) keine Erwähnung in der Serie findet, fand ich relativ seltsam. Immerhin werden so viele Fälle und so viele Andeutungen auf die Bücher in der Serie versteckt.

Doch dann kam mir die Idee, dass er vielleicht tot sein könnte: Deshalb Moriarty's Aussage, dass alle sterben und seine generelle Fixierung auf "Stayin Alive". Würde er eine Rede auf dem Dach halten - quasi ein ganzes "Spiel" - auf ein Lied abrichten? Nein, er hat das Lied genommen, weil er die Rede hatte. 


4) CAM = Charles Augustus Magnussen


Mary bekommt an ihrer Hochzeit eine Karte von "CAM". Dies sind die Initialen des Hauptantagonisten der dritten Staffel. Magnussen und Mary scheinen eine Vergangenheit zu haben, er weiß über ihre Vergangenheit Bescheid und sie will ihn töten.
Vielleicht hat er etwas mit dem Tod ihrer Familie zutun oder will sie lediglich darauf aufmerksam machen, um ihr zu schaden?

Dass es kein Freund ist, der die Karte geschrieben hat, bemerkt man schon bei ihrem Blick, der alles andere als Glück ausspricht.



5) Moriarty lebt?!


Der wohl größte Kliffhänger und die meisten Fragen haben wohl die letzten Minuten und die After-Credits-Scene hinterlassen: Moriarty lebt noch und fragt ganz England, ob es ihn vermisst habe.



In Reichenbachfall erschießt sich Moriarty selbst, da Sherlock nun keine andere Wahl hat, als vom Gebäude in den Tod zu springen. Wie kann er also zurück sein?
Diese Frage lässt keinen Sherlock-Fan los und lässt viele spekulieren, so auch mich. Denn genau wie all die anderen Theorien ist das nun nichts anderes, als eben eine Theorie.

Moriarty ist ein Genie, er wird als genau so schlau wie Sherlock beschrieben. Moriarty weiß, dass Mycroft Sherlock alles ermöglichen kann. Er weiß, dass Sherlock seinen Selbstmord täuschen kann - warum sollte er dann seinen nicht auch vortäuschen?

Warum sollte sich Moriarty töten? Reicher Anführer eines kriminellen Netzwerkes?

Er kann seinen Selbstmord genau so vortäuschen, wie Sherlock - er hat es allerdings leichter: Sein Publikum ist nur eine Person, nämlich Sherlock. Und Sherlock würde so schnell in Panik verfallen, da all seine Freunde in Gefahr sind, dass er nicht genau aufpassen würde; er würde nicht jedes kleinste Detail beachten: Wie zum Beispiel, dass der tote Moriarty am Boden lächelt, aber mit der Pistole im Mund stirbt.

Das ist noch lange kein Zeichen, dass dies ein Fake war - dass Moriarty einfach eine falsche Pistole benutz hat und Blutkapseln -, doch den wichtigsten Indiz liefert uns Anderson in Der leere Sag.
Die ersten Minuten und immer wieder Frequenzen werden als Theorien aufgestellt, wie Sherlock den Sprung überlebt hat. Und Anderson's Theorie ist, dass Sherlock an einem Seil hing, durch das Fenster zu Molly gesprungen ist, sie geküsst hat und dann gegangen ist, Moriarty's Leiche wurde genommen, ihr wurde eine Sherlock Maske aufgesetzt und auf den Boden geworfen, wo Sherlock liegen müsste.
Anderson arbeitet bei der Polizei und redet mit Lestrade, der Inspektor ist. Sie wissen also über den Tatbestand bescheid, sie haben vermutlich den Tatort überprüft.

Anderson denkt, dass Sherlock's Leiche eigentlich die von Moriarty ist - was bedeutet, dass Moriarty's Leiche nie gefunden wurde!
Wenn Moriarty's Leiche gefunden wurde, dann wäre diese Theorie nie entstanden, Anderson hätte einen eindeutigen Beweis, dass es nicht Sherlock ist. Doch er hält an diese Theorie, er sagt, dass Sherlock's Leiche die von Moriarty ist: Moriarty's Leiche wurde also nicht gefunden.




Eine weitere Theorie könnte sein, dass es zwei Moriarty's gibt - Richard Brook war real, doch er unterstand Jim Moriarty. Deshalb hatte Moriarty Die Reichenbachfälle (Deutsch für Richard Brook, wie gesagt wurde) gewählt, um Sherlock zu vernichten: Er wollte Sherlock den Hinweis geben.
Moriarty hielt immer daran fest, dass Sherlock nicht normal ist und schlauer, als er auf den Trick mit dem Code hinein fällt, ist er schwer enttäuscht. Deshalb gibt er Sherlock den Tipp mit den Reichenbachfällen, mit Richard Brook. Immerhin Sherlock soll den Trick verstehen, doch er konnte es nicht. Deshalb hat sich Richard Brook erschossen - oder ihm wurde befohlen, sich zu erschießen: Nun hatte Moriarty keine Verwendung mehr für ihn.

Das würde auch erklären, warum Moriarty im Zeitraum von nicht einmal einer Stunde plötzlich Bartstoppel hat, davor allerdings nicht (könnte auch nur Hollywood reife Maskerade sein). 


Und die letzte Theorie zu Moriarty's Auferstehung: Er tat es nicht.
Moriarty ist tot, es ist sein Netzwerk, was sich wieder aufgebaut hat, Moriarty als Warnung benutzt, um zu sagen, dass sie wieder da sind.





Wie gesagt sind all diese Theorien nur Theorien und nicht Canon. Wir werden wohl noch eine Weile auf die wahren Antworten warten müssen...

Montag, 10. August 2015

Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums - Review

Dante kann schwimmen. Ari nicht. Dante kann sich ausdrücken und ist selbstsicher. Ari fallen Worte schwer und er leidet an Selbstzweifeln. Dante geht auf in Poesie und Kunst. Ari verliert sich in Gedanken über seinen älteren Bruder, der im Gefängnis sitzt. Mit seiner offenen und einzigartigen Lebensansicht schafft es Dante, die Mauern einzureißen, die Ari um sich herum gebaut hat. Ari und Dante werden Freunde. Sie teilen Bücher, Gedanken, Träume und lachen gemeinsam. Sie beginnen die Welt des jeweils anderen neu zu definieren. Und entdecken, dass das Universum ein großer und komplizierter Ort ist, an dem manchmal auch erhebliche Hindernisse überwunden werden müssen, um glücklich zu werden! In atemberaubender Prosa erzählt Sáenz die Geschichte zweier Jungen, die Loyalität, Freundschaft, Vertrauen, Liebe – und andere kleine und große Geheimnisse des Universums entdecken.

Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums 

»Words were different when they lived inside of you.«

Ach, wo soll ich nur anfangen. Ich weiß es gar nicht.
Auf das Buch bin ich schon öfters gestoßen, habe es in der Bibliothek gesehen und in Buchhandlungen, doch habe mir nie die Mühe gegeben, hineinzusehen. Schon alleine das Cover kam mir vor,  als wäre es ein schnulziges Buch für Kinder mit 10 Jahren, über Möchtegern Philosophen, die unbedeutende Fragen beantworten.
Ich lag noch nie so falsch.

Gelesen hin habe ich es schließlich auf einen Deal hin mit einer Freundin: Sie schaut sich meine Lieblingsserie an, dafür lese ich das Buch. Davon war ich zunächst nicht sonderlich begeistert, doch lieh mir das Buch dann aus und laß es.
Und Gott, es hat mir gefallen.
Niemals hätte ich solche Gefühle erwartet, so viele Emotionen in mir drinnen.

»Birds exist to teach us things about the sky«

Ich empfehle es jedem.
Jedem, der Geschichten über Jugendliche lesen will, die Probleme bestreiten.
Jedem, der eine Geschichte über eine so pure Freundschaft lesen will.
Jedem, der Geschichten mit Fragen mag, die einen selbst zum Grübeln bringen.
Jedem, der gefühlvolle Geschichten liebt.

Denn all das ist dieses Buch, eine ehrliche Geschichte über die Freundschaft zwischen zwei Jungen, über Teenager mit Problemen und ein Buch voller Gefühle. 
Ich kann gar nicht richtig beschreiben, wieso ich dieses Buch so toll finde, ohne weitere Spoiler. Ich hoffe, dass jeder eines Tages dieses Buch in die Hand nehmen wird und es lesen wird. Dass es jeder ließt, dass jeder darüber spricht. Dass es so berühmt wird, wie "Das Schicksal ist ein mieser Verräter". Es ist ein Buch, welches total unterschätzt wird. Schon alleine ein Blick auf die Bewertungen bei Anbietern wie zum Beispiel Amazon zeigt, wie gut dieses Buch ist.

Das Buch ist kein einfaches Buch über Freundschaft oder später über Homosexualität, genau so wenig wie "Das Schicksal ein mieser Verräter" kein normales Krebs-Buch ist. Nein, es ist anders. Es ist speziell.

Nun werde ich näher auf das Buch eingehen, also:
!Große Spoiler-Warnung!




Das Buch fing harmlos an. Es war die Erzählung eines Jungen, der einen normalen Alltag beschreibt. Der einen Freund trifft - nicht mehr, als ich erwartet habe. Dennoch gab das Buch nicht aus der Hand, denn schon hatten mich die beiden Charaktere fest in ihrem Bann. Aristoteles (kurz Ari), der voller Selbstzweifel ist und über sich selbst Scherze macht und Dante, der so nett ist und doch voller Macken und um tote Vögel weint.
Irgendetwas hatten die beiden, ich liebte sie sofort. Und es schien wie eine ganz normale Erzählung über Freundschaft, wie zwei Außenseiter sich anfreunden. 
Doch das änderte sich schnell, als Ari Dante plötzlich das Leben rettet. Dante, der auf die Straße rennt um einem Vogel zu helfen, der einen gebrochenen Flügel hat. Und Ari, der zu Dante rennt, ihn zur Seite stößt und dabei selbst angefahren wird. 



Oh Gott, diese Stelle. Ich weiß noch, was diese Stelle mit mir gemacht hat. Ich habe geweint.
Es ist eine Weile her, dass ich bei einem Buch geweint habe, doch ich tat es. Verdammt nochmal, ich habe mir die Augen ausgeheult. Dabei... war es nicht einmal so schlimm. 
Ari wacht im Krankenhaus auf, wird von seinen Eltern gedrückt und Dante wartet auf ihn. Wieso habe ich geweint? 
Vielleicht bin ich wie Dante. Vielleicht weine ich, weil ich zu viel in Dinge sehe. Doch diese Stelle war einfach ein Bruch. Ein Bruch der Geschichte. Es war nicht mehr eine normale Geschichte über Freundschaft.
Und das schlimmste: Ich wusste, dass nun nichts mehr war, wie zuvor. Und Ari wusste es auch.

Ich musste an dieser Stelle tatsächlich aufhören. Ich zwang mich aufzuhören und laß am nächsten Tag weiter, denn ich wusste, nun würde es beginnen. Nun würde der Teil beginnen, an dem komplett in dem Buch versinken würde. Und ich brauchte Schlaf, ich brauchte Zeit um mich vorzubereiten. 

So, am nächsten Tag laß ich also weiter. Als meine Eltern nicht da waren. Ich wusste, dass ich es alleine lesen musste. Ich wusste, dass ich wieder weinen würde. Und irgendwie fand ich es gut, alleine mit dem Buch zu sein und alleine mit den Gefühlen, mit den Tränen.


Das tat es wirklich. Nun war die Geschichte anders. Nun war die Beziehung zwischen den beiden so anders. Dante, der Ari nun in seinen Zeichenblock schauen lässt, was davor undenkbar für ihn gewesen war. Dante, der sich dauernd bei Ari entschuldigt. Dante, der Ari (der nun gebrochene Beine, Schrauben in den Beinen und einen gebrochenen Arm hat) wäscht. Und Ari, der all das nicht will und die Regel aufstellt, nicht über den Unfall zu reden. 
Alles ist auf einmal so anders.
Und dann die neue Wendung: Für ein Jahr zieht Dante weg!

Natürlich schreibt der liebe Dante Ari und Ari will ihm auch schreiben, doch weiß nicht was.
Dante erzählt Ari von Chicago. Von den Schülern dort, davon, dass er ein Mädchen geküsst hat und gekifft hat und getrunken hat. Es passt nicht zu Dante und irgendwie passt es perfekt zu ihm.
Ari versucht derweil mehr über seinen Bruder zu erfahren, der im Gefängnis ist und über den nicht gesprochen wird. Er versucht mit den Mitschülern zurecht zu kommen, näher an seinen Vater zu kommen und mit einem Mädchen zusammen zu kommen.
Doch all das scheint mir so nebensächlich. Es gibt nur eine Sache, die meine Interesse geweckt hat: Dante's Briefe.
Diese enthalten nicht nur Inhalte wie "Wie viel masturbieren ist normal?" sondern auch schon bald den Inhalt:
"Wie es wohl ist einen Jungen zu küssen? Ich würde gerne einen Jungen küssen"

Und da ist es. Etwas, was ich schon geahnt habe. Ich weiß nicht wieso, doch ich habe es geahnt... oder viel mehr: Ich habe es gehofft.
Diese Chemie zwischen den beiden ist perfekt, die beiden gegen den Rest der Welt. Ich konnte nicht anders und war begeistert von der Idee.
Ari nicht.



Natürlich toleriert Ari seinen Freund, der sich nun als schwul bekannt gibt. Doch scheint er diesen Gefühlen selbst nicht nachzukommen. Es ist erneut zu schmerzlich, doch es wird noch schlimmer.
Als Dante zurück kommt, ist es ein neues Thema. Dante stellt die Regel auf, dass Ari ihm loyal sein soll. Nicht wegrennen soll, wenn man ihn als den "Freund einer Schwuchtel" bezeichnet und Ari wird es nicht. Er sieht nichts schlimmes daran. Nun bekommt man auch mehr von Dante's Zwiespalt mit. Wie er mit Ari darüber redet, wie er seinen Eltern beibringen soll, dass er gerne Jungs küsst. Wie Dante sich in Ari verliebt.
Und schließlich bringt Dante auch Ari dazu, es auszuprobieren. Sagt ihm, dass er nicht wissen kann, ob er gerne Jungen küsst, denn er tat es noch nie. Und dann küsst Dante Ari... Und Ari schreckt zurück, sagt Dante, dass es bei "ihm nicht funktioniert".
Und schon wieder scheint irgendetwas zu zerbrechen...

»I knew that part of him would never be the same. They cracked more than his ribs«

Ich verstand es nicht.
Ari träumte von Dante, genoss es, wenn Dante ihm vorließ. Sie standen sich so nah und doch... nichts?
Es war erneut ein Moment, bei dem ich nur mit dem Geräusch eines sterbenden Wales brüllte. Vielleicht war es der Teil, der seit Ewigkeiten Charaktere shippt, der seit Ewigkeiten Johnlock Geschichten im Internet ließt. Doch etwas wollte in mir einfach, dass sie zusammen kommen. Dass all das nicht zerbricht.
Und zum Glück tat es das auch nicht.

Nein, die Freundschaft blieb. Aufgeweckt wie zuvor. Sie genossen ihr Leben und alles andere.
Ari kam seinem Bruder - das große Geheimnis um seinen Bruder - immer näher, doch ehrlich gesagt, interessierte es mich nicht. Das Buch war für mich nicht die Geschichte von einem Jungen, der über seinen Bruder erfährt, sondern die von zwei Jungs, die sich lieben - und wenn es nur Freundschaft ist.

Doch man bemerkt, dass da etwas mit Ari ist. 
Man merkt es daran, wie er mit Daniel umgeht - dem Freund von Dante. Und mit den Jungs, die Dante verprügeln.
Dante wird verprügelt, der unschuldige, liebenswerte Dante wird verprügelt, weil er einen Jungen geküsst hat. In der Gasse küsst er Daniel und dann wird er von vier Junges verprügelt - das Geheimnis um seine Vorlieben geht an die Eltern der beiden - und Ari wird wütend. Wütend auf die Jungs, weil sie Dante verprügelt haben und sauer auf Daniel, weil er einfach wegrannte, ohne sich um Dante zu kümmern.
Doch Dante rannte nicht weg. "Weil er Dante ist".
Ari bricht einem Jungen die Nase und bekommt Ärger, und erfährt über seinen Bruder. Der im Gefängnis sitzt, weil er jemanden umgebracht hat. Ari hasst Daniel, mag ihn nicht dafür, was er Dante angetan hat.
Doch Dante scheint sich darum nicht zu kümmern.

Und schließlich passiert es. Dank Ari's Eltern.
Ich wusste nie, dass ich die beiden mehr lieben konnte, als zuvor. Denn nicht nur Dante und Ari sind die Charaktere, die ich liebe. Auch die Eltern der beiden sind einfach grandios und ich liebe sie.
Sie rufen Ari an den Tisch und reden mit ihm. Dass Dante in Ari verliebt ist, ist bekannt. Selbst Dante's Eltern wissen es. Eltern scheinen ihre Kinder zu kennen.
Denn Ari's Eltern wissen, dass Ari genau so in Dante verliebt ist und erst dank der Hilfe der beiden kann sich Ari das auch schließlich selbst eingestehen. Er versteht, dass er Dante nicht vor dem Auto einfach so rettete, sondern weil er es nicht ertragen könnte, wenn es keinen Dante mehr gäbe.

Nichts gefiel mir mehr als die letzten Seiten des Buches. Wo alles, was zerbrochen wurde, wieder aufgebaut wurde.
Wo Ari Dante gesteht, dass es gelogen war, dass der Kuss für ihn nicht "funktionierte".
Wo Ari Dante küsst.
Wo Ari sich gesteht, dass er diesen Jungen genau so sehr liebt wie wir, nein, sogar noch viel viel mehr.
Wo das Buch mit dem grandiosen Satz »How could I have ever been ashamed of loving Dante Quintana?« beendet wird.





Grandios.
Ganz grandios.

Benjamin Alire Sáenz schafft es nicht nur, alles irgendwie zu zerbrechen. Nein, er kann es auch alles wieder aufbauen. Er kann uns mit auf eine Gefühlsachterbahn nehmen, in ein Buch eintauchen lassen, was nicht mehr los lässt.

Uns die einzigartige Geschichte von zwei einzigartigen Jungen erzählt. Die Geschichte, die mit dem einfachen Satz begann:
»Ich kann dir beibringen, wie man schwimmt.«